Competo
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Wir begegnen uns hier auf
Augenhöhe, Seite 36
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Der
aktuelle und der ehemalige Teilnehmersprecher im Gespräch:
Pablo Schmitz und Oliver
Netz über Lernen lernen
Integration ist das
große Thema im BFW - nicht nur, weil es gilt, behinderte Menschen auf
das Leben draußen vorzubereiten. Integration ist auch in der
Einrichtung selbst fortwährend ein Thema. Eine entscheidende Rolle
kommt dabei den Teilnehmersprechern zu, die darüber hinaus als
Bindeglied zwischen Rehabilitanden und Schülern sowie Ausbildern
fungieren. Wie das alles unter einen Hut zu bringen ist, erläutern
der amtierende Teilnehmersprecher Pablo Schmitz (19) und sein
Vorgänger Oliver Netz (45) im Gespräch.
Teilnehmermitverantwortung
- wie darf man sich das am BFW vorstellen? Wo dürft Ihr
mitentscheiden?
Oliver Netz: Zum einen
natürlich beim Organisieren von Freizeitaktivitäten, um vor allem
die Internatsbewohner zusammenzubringen, die noch keine Anbindung an
Mainz haben. Die neuen Teilnehmersprecher haben gerade dafür gesorgt,
dass man sich einmal in der Woche in der Kaffeebar trifft. Darüber
hinaus veranstalten wir regelmäßig Partys und Feten.
Pablo Schmitz: Zum
anderen ist es natürlich notwendig, dass wir vermittelnd tätig
werden, etwa, wenn es Probleme mit Ausbildern gibt. Wir tauschen uns
auch regelmäßig mit der BFW aus. Da geht es dann beispielsweise
darum, wie man die Ausbildung besser anpassen kann oder welche
Hilfsmaterialien eventuell eingesetzt werden können, oder wie sich
Unterrichtsfächer besser koordinieren lassen. Oder, wie sich die
Gruppendynamik weiter verbessern lässt.
Dem Lernen in der Gruppe
messt Ihr eine ganz zentrale Bedeutung bei. Weshalb?
Oliver Netz: Die ergibt
sich schon allein daraus, dass man bei der praktischen Ausbildung zum
Masseur oder Physiotherapeuten Hand an einander legen muss, um zu
üben. Kaum einer, der neu hierher kommt, hat Erfahrung mit
Krankentherapien, jeder muss sich neu orientieren. Das funktioniert
nur über die Gruppe. Erfolgreich lernen lässt sich nur
gemeinsam.
Pablo Schmitz: Man kann
das sogar am Notendurchschnitt nachweisen - in harmonischen Gruppen,
die respektvoll miteinander umgehen, schneidet jeder Einzelne besser
ab, sie weisen auch geringere Durchfallquoten auf. Wo jeder in erster
Linie für sich kämpft, leiden unterm Strich alle
darunter.
Wie nehmen Ausbildungs-
und Geschäftsleitung Eure Ideen denn auf?
Oliver Netz: Sehr gut.
Das funktioniert hier völlig unkompliziert. Aktuell werden wir auch
bei den Um- und Neugestaltungen mit einbezogen, die sich durch die
Integration neuer Ausbildungsgänge ergeben. Auch bei der
Turnhallen-Erneuerung sind wir schon in der Planungsphase
dabei.
Pablo Schmitz: Das macht
auch Sinn, dass sich Sehbehinderte und Blinde frühzeitig einbringen
können, damit sie später optimale Bedingungen vorfinden. Auch was
Küche und Verpflegung angeht, werden wir gefragt. Dafür gibt es
sogar Fachausschüsse.
Wie viele
Teilnehmersprecher habt Ihr eigentlich?
Pablo Schmitz: Zurzeit
sind wir zu dritt. Ich habe noch einen gewählten Vertreter und einen
berufenen. Es war mir wichtig, dass alle Ausbildungszweige bei uns
vertreten sind. Wir Teilnehmersprecher treffen uns alle zwei, drei
Monate mit den Gruppensprechern, nehmen Anliegen und Anregungen auf
und tragen diese weiter.
Oliver Netz: Wenn
demnächst die Akademisierung kommt, werden wir sicher überlegen
müssen, ob wir diese Gremien erweitern, damit auch die neuen
Ausbildungsgänge vertreten sind.
Lernen lernen - auch
das ist ein Stichwort, das man oft hört am BFW. Was gehört da für
euch noch dazu - außer dem Aufnehmen des Lernstoffs?
Pablo Schmitz:
Selbstbewusstsein, Selbstvertrauen und Eigenverantwortung zu lernen,
ist ebenso wichtig. Viele kommen hierher und glauben, es sei wie
früher in der Schule - es gehe in erster Linie darum, dem Lehrer zu
gefallen. Hier begegnen sich Ausbilder und Teilnehmer auf Augenhöhe,
das hat auch mir am meisten imponiert, als ich vor einem Jahr hierher
kam.
Oliver Netz: Man darf
nicht darauf warten, dass der Ausbilder immer einem sagt, was man tut.
Wer auch mal selber was probiert - und auch mal bewusst auf
Konfrontationskurs geht -, lernt viel intensiver, versteht unterm
Strich auch besser. Viele hier trauen sich das noch nicht zu - auch,
weil sie immer noch ihre Behinderung im Hinterkopf haben. Aber das
muss hier aufhören. Hier bekommt jeder den Rückenwind, den er
benötigt, das hat das BFW großgemacht und dieses außerordentlich
hohe Ausbildungsniveau geschaffen. Man darf nie vergessen: Drei Jahre
Berufsausbildung - das ist angesichts des Lernstoffs und verglichen
mit den Angeboten im Ausland ein ganz schön straffes Programm. Doch
es funktioniert - meiner Meinung vor allem dank des fortwährenden
Austauschs zwischen Teilnehmern und Ausbildern.
Wenn der Vater mit dem Sohne, Seite 34
Wohltat für Marathoni-Muskeln, Seite 38
Erstellt: 21.04.2011 10:34 Aktualisiert: 28.04.2011 08:08
Autor: Klaus Wilinski